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Und was, wenn der Bundesrat das Problem ist?

Die Auswechslung des Chefunterhändlers Roberto Balzaretti bringt wenig, solange der Bundesrat sich nicht entscheiden kann.

Der Bundesrat wechselt den schweizerischen Chefunterhändler für das Rahmenabkommen aus, meldet der Tagesanzeiger. Roberto Balzaretti war erst seit 2018 im Amt. Er übernahm von Pascale Baeriswyl, die von Jacques de Watteville, der von Yves Rossier übernommen hatte. Alle hatten nur kurze Amtszeiten. 

Als der Bundesrat sich 2015 für einen neuen Chefunterhändler entschieden hatte, beteuerte Bundesrat Burkhalter, dass der Bundesrat sich nicht selber zum Chefunterhändler machen würde. “Der Bundesrat verhandelt nicht, er entscheidet”, sagte er.

Fünf Jahre später sieht es eher so aus: Der Bundesrat verhandelt nicht und er entscheidet nicht. 

Stattdessen wechselt er immer wieder seine Chefunterhändlerinnen aus und hofft, dass diese einen Zaubertrick kennen, mit dem die EU in neue Verhandlungen und zu neuen Zugeständnissen gelockt werden kann. Wie realistisch das ist, sei dahingestellt. Bei einer Einschätzung hilft dieses Interview mit Jakob Kellenberger, dem Chefunterhändler für die Bilateralen I, die heute in der Schweiz als “Königsweg” gelten. Zudem lohnt sich die Erinnerung daran, wie schwierig Verhandlungen mit der Konsensmaschine EU sind.

Klar ist: Die Chefunterhändlerinnen können nicht die Aufgabe des Bundesrats übernehmen. Entscheiden muss der Bundesrat. Und wenn er das nicht kann, muss er vielleicht sich selbst statt seine Verhandlerinnen auswechseln.

Aber selbst die Auswechslung des Bundesrats würde nicht viel bewirken. Das Problem liegt tiefer. Das schweizerische System überträgt dem Bundesrat keine Führungsrolle. Der Bundesrat ist kein kollektives Präsidium, das dem Land eine Richtung gibt. Bundesrätinnen verhalten sich wie Gesandte ihrer Parteien in einer ewigen Findungskommission. Und bei einem stark polarisierenden Thema, in dem sich die Parteien nicht einigen, einigt sich auch der Bundesrat nicht.

Momentan stellt sich dieses Problem vor allem im Europa-Dossier. Sollte sich die politische Landschaft in der Schweiz weiter polarisieren, wird dieses Phänomen auch in anderen Bereichen auftreten. Die Schweiz muss die Rolle des Bundesrats überdenken.

Mit einer baldigen Entscheidung für oder gegen das Rahmenabkommen könnte der Bundesrat die Zweifel an seiner Handlungsfähigkeit besänftigen. Das Basteln an der Personalie des Chefunterhändlers und das damit zusammenhängende Warten auf Wunder deuten in eine andere Richtung.