Kategorien
EU verstehen Klima

Was ist der European Green Deal?

Übersicht eines vollgepackten Legislatur-Fahrplans.

Was ist der European Green Deal?

Seit einem Jahr geistert der Begriff durch Europa: Der “European Green Deal”. Er soll Europa zum globalen Vorreiter in Sachen Klimaschutz machen. Doch was versteckt sich hinter diesen drei Wörtern? 

Der European Green Deal ist eine “strategische Priorität” der aktuellen EU-Kommission. Begrifflich bezieht sich der European Green Deal auf den “New Deal” der 1930er-Jahre. Der damalige US-Präsident F. D. Roosevelt krempelte die Industrie- und Sozialpolitik der USA um und führte die USA so aus der grossen Depression. Der European Green Deal soll die europäische Wirtschaft so umkrempeln, dass sie auf einem sozialverträglichen Weg nachhaltig wird.

Aber was ist eine strategische Priorität? Ist das ein Gesetz? Ein Plan? Ein Investitionsprogramm? 

Es ist alles zusammen.

Der Fahrplan

Wer sich auf dem online “Legislatur-Fahrplan” rumtummelt – der heisst wirklich so und ist sogar mit Eisenbahn-Waggons bebildert – der findet unter der Rubrik des European Green Deal insgesamt 58 Initiativen. Von diesen Initiativ-Zügen sind mittlerweile 18 gestartet, 4 auf dem Abstellgleis und 2 sind schon angekommen.

Wer durch alle 58 Strategien, Gesetze, Investitionsprogramme stöbern will, kann das hier tun. Ich werde im Folgenden einige dieser Initiativen beleuchten, um einen Überblick zu schaffen.

Zuerst zu den beiden Initiativen, die schon am Ziel sind. Oder eben doch nicht, wie wir gleich sehen werden. Schon am Ziel sind der Klimaziel-Plan für 2030 und die Wasserstoff-Strategie

Strategie und Umsetzung

Für den Klimaziel-Plan heisst das, dass die EU-Kommission ihren Vorschlag für das Klimaziel 2030 gemacht hat. Damit dieser Klimaziel-Plan aber auch umgesetzt werden kann, muss das Klimaziel im sogenannten Klimagesetz noch vom Parlament und dem EU-Rat bestätigt werden. Und wie ich in diesem Beitrag aufzeige, hat das Parlament das Klimagesetz entgegen dem Plan der Kommission soeben wesentlich verschärft. Der Plan ist vielleicht fertig, aber das heisst nicht, dass er auch umgesetzt wird.

Ähnlich sieht es bei der Wasserstoff-Strategie aus. Sie ist fertig formuliert und zeigt auf, wie Europa seine Wasserstoff-Infrastruktur ausbauen könnte, um erneuerbare Technologien zu unterstützen. Deswegen ist aber noch keine einzige zusätzliche Wasserstoff-Batterie ans Netz gegangen. Die Strategie ist im Ziel, die Umsetzung beginnt erst.

Woraus besteht der European Green Deal sonst noch? Das Klimagesetz ist ein wichtiger Teil des Gesamtpakets. Es soll die Emissionsziele der EU festlegen und vielleicht auch zu einem Subventionsverbot für fossile Brennstoffe führen. 

Ein weiterer Teil des European Green Deal ist der “Just Transition Fund”. Dieser Fonds soll jene Regionen unterstützen, die am stärksten mit der Umstellung auf eine grüne Wirtschaft zu kämpfen haben. So könnten zum Beispiel Umschulungsprogramme in Kohlebau-Regionen finanziert werden, damit Minenarbeiterinnen trotz Kohleausstieg gute Zukunftsaussichten haben. Aktuell sind dafür 17.5 Milliarden Euro eingeplant. 

Nicht nur neue Ideen sind Teil des European Green Deal. Auch eine Revision der Regeln zum CO2-Reporting und zur CO2-Reduktion in der Schifffahrt, die noch die Juncker-Kommission angestossen hatte, wird nun unter der Rubrik des European Green Deal vorangetrieben. Diese Revision ist momentan in der Verhandlung zwischen dem Parlament, der Kommission und dem Rat.

Alles hängt zusammen…

Es geht aber nicht nur um Treibhausgase. Im Rahmen des European Green Deals soll auch eine Biodiversitätsstrategie formuliert werden. Die bisherige Skizze dieser Strategie sieht vor, dass 30% der EU-Landfläche sowie 30% der EU-Meere zu Schutzzonen werden. Eine Strategie für eine nachhaltigere Landwirtschaft – die “farm to fork strategy” – soll dazu führen, dass in der EU bis 2030 50% weniger Pestizide benutzt werden. Ausserdem sollen mindestens 25% der Landwirtschaftsflächen biologisch bewirtschaftet werden.

Zudem plant die EU eine Strategie für Wälder, eine Renovationswelle, um Gebäude klimaschonender zu machen, einen Plan für die zirkuläre Wirtschaft, eine Methan-Strategie, eine CO2-Steuer für importierte Güter und vieles mehr. Die Pläne und Strategien hängen zusammen. Wer die Biodiversität fördern will, muss sich auch mit der Landwirtschaft auseinandersetzen. Wer CO2 aus der Luft entfernen will, muss sich über Wälder Gedanken machen.

…oder wird so verkauft.

Deshalb wird alles, was mit Klima- und Umweltschutz zu tun hat, unter dem Namen des European Green Deal vereint. Das hilft auch in der politischen Kommunikation. Es ist einfacher zu erklären, weshalb die EU zum Beispiel eine Methan-Strategie braucht, wenn man sie in das Grossprojekt des European Green Deal einbetten kann. 

Allerdings muss man aufpassen, nicht von der politischen Kommunikation geblendet zu werden. Am Schluss zählen nicht die fünfzig Pläne und Strategien, sondern was sich in der physischen Realität tatsächlich ändert.

Die physische Realität wird bestimmen, ob wir einst zufrieden auf den European Green Deal zurückblicken, wie wir heute auf Roosevelts New Deal schauen, oder ob wir ihn auf dem Friedhof politischer Slogans vergessen werden.