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EU verstehen Klima

Klimagesetz: Ein grünes Parlament tritt in die Pedalen

Das europäische Parlament hat den Vorschlag der EU-Kommission zum Klimagesetz in entscheidenden Punkten verschärft.

Das grüne, europäische Parlament tritt in die Pedalen

Wie National- und Ständerat in der vergangenen Parlamentssession, verhandelt auch die EU ein Klimagesetz. In der vergangenen Woche stimmte das europäische Parlament über Änderungen am Vorschlag der EU-Kommission ab. Das europäische Parlament macht Druck und verschärfte den Vorschlag in wesentlichen Punkten. Auf zwei dieser Punkte werde ich in diesem Beitrag eingehen: Die Subventionierung klimaschädlicher Industrien und das Treibhausgas-Reduktionsziel bis 2030.

Anti-Zukunft-Subventionen

EU-Mitgliedstaaten subventionieren fossile Brennstoffe mit ca. 137 Milliarden Euro. Das hat eine Studie von Investigate Europe gezeigt. Eine gute Übersicht über die Studienresultate inklusive der Zahlen für die Schweiz liefert die Republik. Die Subventionen für fossile Brennstoffe sind ein grosses Hindernis auf dem Weg zur Klimaneutralität. Erstens belasten sie die öffentlichen Budgets, zweitens animieren sie die Wirtschaft dazu, mehr CO2 in die Atmosphäre zu pumpen.

Das europäische Parlament will deshalb bis 2025 alle direkten und indirekten Subventionen für fossile Brennstoffe in der EU verbieten. Der Vorschlag der Kommission sah diesbezüglich keine Massnahmen vor. Es ist zu erwarten, dass einige nationale Regierungen sich gegen dieses Subventionsverbot einsetzen werden. Subventionierte Branchen sind gewiefte Lobbyistinnen.

Neue Reduktionsziele bis 2030

Der zweite zentrale Punkt des Klimagesetz ist das Reduktionsziel für die Treibhausgas-Emissionen. Das bisherige Ziel der EU lag bei einer Reduktion um 40% bis 2030 gegenüber dem Stand von 1990. Die EU-Kommission wollte es nun auf 55% erhöhen. 

Das reicht dem europäischen Parlament nicht. Eine knappe Mehrheit aus liberalen, grünen und linken Parteien hat sich für ein Emissionsreduktionsziel von 60% bis 2030 ausgesprochen. Die grüne Fraktion hatte sogar ein Reduktionsziel von 65% angestrebt. 

Doch was bedeuten diese Zahlen und wie sind sie im Vergleich zu den schweizerischen Reduktionszielen zu beurteilen? 

Ein Blick auf die Zahlen

National- und Ständerat haben sich in der Schweiz im neuen CO2-Gesetz zu einem Reduktionsziel von 50% gegenüber dem Referenzjahr 1990 geeinigt. Es scheint, als sei das schweizerische Parlament weniger ambitioniert als jenes der EU. Ein differenzierter Blick auf die Zahlen relativiert diesen Eindruck.

Zuerst zum Referenzwert von 1990, auf den sich alle Reduktionsziele beziehen: Pro Person stiessen Einwohner der EU-27 (die heutigen Mitgliedstaaten ohne GB) im Jahr 1990 ca. 10.1 Tonnen CO2-Äquivalente aus. In der Schweiz lag dieser Wert 1990 nur bei 8 Tonnen. Das heisst, die Schweiz startet auf einem tieferen Niveau. Der tiefere Wert hat aber auch damit zu tun, dass die Schweiz viel “graues CO2” importiert, das in den Zahlen oben nicht einberechnet ist. Unter grauem CO2 versteht man jene Treibhausgase, die bei der Herstellung importierter Produkte im Ausland emittiert wurden.

Die Reduktionsziele berechnen sich am Gesamtwert der Emissionen, nicht an den Emissionen pro Kopf. Mit einer steigenden Bevölkerungszahl brauchen mehr Menschen Heizung, Transport und Konsumgüter. Das führt im heutigen technologischen Umfeld zu mehr CO2-Emissionen auf dem Konto des betroffenen Staats. Zwischen 1990 und 2018 ist die schweizer Bevölkerung viel stärker gewachsen als jene der EU-27, nämlich um 27% statt um 6%. Das heisst, die Reduktion pro Kopf muss in der Schweiz höher sein als in der EU.

Tempo-Wechsel

Was die Reduktionsziele bis 2030 für die Gesellschaft bedeuten, hängt davon ab, wieviel sich in den kommenden 10 Jahren verändern muss, um die Ziele zu erreichen. Das hängt wiederum davon ab, wie stark die Staaten ihre Emissionswerte seit 1990 schon reduziert haben. 

Die Schweiz hat ihre Emissionen in den 28 Jahren von 1990 bis 2018 laut Bundesamt für Umwelt um 14% reduziert. Im kommenden Jahrzehnt muss sie die Emissionen also um weitere 36% reduzieren verglichen mit dem Basiswert von 1990.

Die EU hat ihre Emissionen in den 28 Jahren von 1990 bis 2018 um 21% reduziert. Geht es nach dem EU-Parlament, muss die EU ihre Emissionen also um weitere 39% reduzieren, verglichen mit dem Basiswert von 1990. Falls sich nicht die Parlamentsvariante durchsetzen sollte, sondern jene der Kommission, wird die EU die Emissionen um weitere 34% reduzieren.

Beeindruckend ist vor allem der Tempo-Wechsel, der jetzt nötig ist. Wenn wir uns den Weg von 1990 bis 2030 als Velo-Tour vorstellen, dann haben wir jetzt nach drei Viertel der Zeit erst etwa einen Drittel des Wegs hinter uns gebracht. Die Schweiz etwas weniger, die EU etwas mehr. Das Ziel können wir nur erreichen, wenn wir das Doppelte des bisherigen Wegs in einem Drittel der Zeit zurücklegen: Sechsfache Geschwindigkeit.

Die Beschleunigung der Klimabemühungen sind in der EU und in der Schweiz noch nicht gesichert. In der Schweiz muss das CO2-Gesetz ein Referendum überstehen und in der EU geht das Geschäft nun vom Parlament in den EU-Rat. Dort wird dem ambitionierten Parlamentsvorschlag ein rauerer Wind entgegenwehen.

Mehr Informationen zur EU-Klimapolitik findest du in dieser Übersicht zum European Green Deal.