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EU verstehen Schweiz Wirtschaft und Finanzen

Das Level Playing What?

Für die EU ist das Level Playing Field eine Frage ihrer Existenz.

Level Playing Field

Während den Brexit-Verhandlungen wurde es fast in jedem Artikel mal erwähnt: Das “Level Playing Field” – zu deutsch das Prinzip der gleichen Wettbewerbsbedingungen. Worum geht es beim “Level Playing Field”? Und weshalb beissen sich Verhandlerinnen aus Grossbritannien und der Schweiz daran die Zähne aus?

Um das Level Playing Field zu verstehen, muss man zum harten Kern der EU vordringen. Das, was übrig bleibt, wenn man die politischen Ambitionen, Interpretationen und Projektionen wegschält. Für die einen ist die EU ein Friedensprojekt, für die anderen ein geopolitischer Interessenblock. Einige sehen in ihr eine Wertegemeinschaft, andere bloss einen Absatzmarkt für die heimische Industrie. Das sind Auffassungen, die man über die EU haben kann, die richtig sein können, die aber nicht von allen geteilt werden müssen.

Der Binnenmarkt

Wer alles wegschält, bis zum Kern, den niemand mehr in Abrede stellen kann, findet den Binnenmarkt. Der gemeinsame Markt ist das, worauf sich alle Mitgliedstaaten geeinigt haben und für dessen Aufbau und Unterhalt sie einer zentralen Stelle in Brüssel einen Teil ihrer Macht abgetreten haben. Sei es aus friedenspolitischer Überzeugung, geopolitischem Kalkül oder als Resultat einer kühlen Nutzen-Kosten-Berechnung.

Der Binnenmarkt ist ein Raum, in dem alle Unternehmen und Arbeitnehmenden über nationale Grenzen hinweg frei miteinander wirtschaften können. Das kann nur funktionieren, wenn einzelne Mitgliedstaaten ihre heimischen Unternehmen nicht gegenüber Unternehmen anderer Länder bevorzugen. 

Wenn Bayern München ein Champions League Spiel gegen Inter Mailand bestreitet, kann die deutsche Regierung kein Gefälle in das Spielfeld der Münchner Allianz Arena bauen, um Inter Mailand gegen das Gefälle spielen zu lassen. Sie muss ein faires Spielfeld bieten, ein Level Playing Field.

Chef-Unterhändler Michel Barnier sucht während den Verhandlungen nach einem Level Playing Field. Quelle: https://twitter.com/MichelBarnier/status/1326909858034163712?s=20 

Die Bevorzugung kann verschiedene Formen annehmen. Zölle sind ein einfaches Beispiel, die innerhalb der EU schon lange abgeschafft sind. Wichtiger sind nationale Produktstandards, die den Markteintritt für ausländische Firmen umständlich machen. Wenn jedes Land in der EU eigene Produktstandards hätte, könnte sich kein Binnenmarkt entwickeln. Weil die Europäerinnen aber auch keine Anarchie ganz ohne Regulierungen wollen, legt die EU europaweite Mindeststandards fest.

Eine Frage der Existenz

Diese Mindeststandards betreffen fast alle Wirtschaftsbereiche, in denen Mitgliedstaaten ihren Unternehmen einen regulatorischen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Deshalb gibt es neben Produktvorschriften auch Mindeststandards für Subventionen, Sozialversicherungen, Arbeitsrecht, Datenschutz und viele andere Bereiche. Dieser Drang nach einem Level Playing Field ist auch der Grund für die Bemühungen zur Eindämmung des Steuerwettbewerbs (mehr dazu in diesem Beitrag).

Ohne die gemeinsamen Mindeststandards gibt es keinen Binnenmarkt. Und ohne Binnenmarkt gibt es keine EU. Deshalb ist die Sicherung des Level Playing Fields eine Frage der Existenz für die EU. 

Wenn Unternehmen ausserhalb der EU Zugang zum Binnenmarkt erhalten, ohne sich an dessen Regeln halten zu müssen, verliert der Binnenmarkt seine Existenzberechtigung. Deshalb ist es in Verhandlungen so schwierig, der EU in diesem Bereich Kompromisse abzuringen. 

Die Augenhöhe

Die Brexiteers und die Gegnerinnen des Rahmenabkommens fordern, dass man “auf Augenhöhe” miteinander verhandelt. Aber Staaten begegnen sich weder innerhalb noch ausserhalb der EU auf Augenhöhe. Die Schweiz ist nicht gleich bedeutsam wie die konsolidierte Position von 27 Staaten, da kann sie sich noch so strecken. Sogar Grossbritannien musste beim Brexit-Deal Abmachungen zustimmen, die es ihr nur unter Strafe ermöglichen, wesentlich von Sozial- und Arbeitsrechtstandards abzuweichen. “Take back control” war eine Illusion.

Die EU bietet keine Verhandlungen auf Augenhöhe, genau wie auch die USA oder China keine Verhandlungen auf Augenhöhe bieten. Was die EU mit dem Rahmenabkommen anbietet, ist, dass schweizerische Unternehmen auf Augenhöhe mit europäischen Unternehmen in den Wettbewerb treten können. Der Preis dafür ist die Akzeptanz europäischer Mindeststandards: Das Level Playing Field.

Eine Antwort auf „Das Level Playing What?“

Super Artikel, schlüssig und neutral erklärt…und wie immer Skizze als Highlight 😉

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