Kategorien
Wirtschaft und Finanzen

EU-Rat macht den Weg frei für mehr Steuergerechtigkeit

Wie eine Entscheidung in Brüssel die Steuervermeidung eindämmen und die Staatsfinanzen schweizerischer Kantone beeinflussen könnte.

CBCR EU Schweiz Steuervermeidung

Die EU macht einen weiteren Schritt im Kampf gegen Steuervermeidung. Nach langem Zögern fand sich im EU-Rat am 25. Februar eine Mehrheit für ein öffentliches Country-by-Country Reporting (CBCR) in der EU. Auch Schweizer Unternehmen und Kantone sind betroffen.

Was ist CBCR?

CBCR ist eine Vorgabe, nach der Grossunternehmen ihre wichtigsten Kennzahlen nach den Ländern ihrer Aktivität aufschlüsseln müssen. Durch CBCR müssen Grossunternehmen zeigen, in welchem Land sie wie viel Umsatz machen, wo sie wie viele Angestellte haben und wie viel Gewinn sie dort versteuern – oder eben nicht. Heute müssen Unternehmen dies gegenüber ihren Steuerbehörden ausweisen. Der Öffentlichkeit bleiben die Steuerpraktiken der Unternehmen vorenthalten.

Ein öffentliches CBCR würde das ändern. Die Unternehmen müssten die wichtigsten Daten öffentlich auf ihrer Webseite zugänglich machen. 

Wie funktioniert Steuervermeidung und wie ist die Schweiz in dieses Geschäft verwickelt? In diesem Beitrag findest du die notwendigen Informationen.

Das öffentliche CBCR betrifft nicht nur Unternehmen mit Hauptsitz in der EU, sondern Unternehmen, die in der EU mindestens 750 Millionen Euro Umsatz machen. Viele grosse Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz müssen ihr CBCR also ebenfalls veröffentlichen.

Wie es dazu kam

Noch ist es nicht so weit. Das öffentliche CBCR ist noch nicht definitiv beschlossen. Der EU-Rat hat sich prinzipiell dafür ausgesprochen. Nun müssen sich der Rat und das Parlament in den Details einig werden. 

Das Parlament hatte sich schon 2017 für das öffentliche CBCR ausgesprochen. Im EU-Rat war das Geschäft lange blockiert. Regierungen von EU-Steueroasen wie Malta, Luxemburg und Irland sowie besonders wirtschaftsnahe Regierungen, wie jene Deutschlands, stellten sich quer. 

Die Abstimmungen des Rats sind meistens geheim. Das erlaubt den Regierungen, im EU-Rat auch unpopuläre Positionen einzunehmen. Eine Recherche von Investigate Europe zeigte im vergangenen Jahr auf, dass die Regierung Portugals sich gegen das öffentliche CBCR gestellt hatte, obwohl Portugal unter dem Steuerwettbewerb leidet. Die Recherche setzte die portugiesische Regierung unter Druck, ihren Kurs zu ändern. Weil auch die Regierung Österreichs sich seit der Regierungsbeteiligung der Grünen für ein öffentliches CBCR ausspricht, waren die Voraussetzungen für eine qualifizierte Mehrheit gegeben. 

Die grösste Hürde für das öffentliche CBCR ist somit aus dem Weg geschafft

Was bringts?

Vom öffentlichen CBCR versprechen sich Kritikerinnen der Steuervermeidungspraktiken neuen Schwung im Kampf gegen die Steuervermeidung. Es sei ein “Durchbruch für faire Unternehmensbesteuerung überall in Europa”, sagt der grüne Europa-Parlamentarier Sven Giegold.

Die öffentlichen Reports statten Kampagnen für Steuergerechtigkeit mit zuverlässigen Zahlen aus. Diese werden die Politik unter Druck setzen, gegen Steuervermeidung vorzugehen. Durch das öffentliche CBCR werden nicht nur Zahlen zu EU-Staaten veröffentlicht, sondern zu allen Staaten, in denen die betroffenen Unternehmen aktiv sind. Die Öffentlichkeit wird ein genaueres Bild davon erhalten, welche Steueroase wie viel Gewinn abschöpft. Das dürfte den Druck auf Steueroasen wie die Schweiz erhöhen.

Der Druck auf die Schweiz dürfte aber nicht nur politisch sondern auch finanziell wirken. Es ist gut möglich, dass Unternehmen aus Angst vor öffentlicher Kritik weniger Gewinn in Steueroasen versteuern werden. [Achtung: siehe Update unten]

Wenn die Unternehmen so reagieren, wird das die Finanzen einiger Schweizer Kantone treffen. Kantone wie Zug oder Luzern, die Unternehmen (oder deren Briefkästen) durch einen aggressiven Steuerwettbewerb zu sich lockten, sollten sich auf allfällige Gewinnverschiebungen zu ihren Ungunsten vorbereiten.

Wenn das EU-Parlament und der EU-Rat sich in diesem Jahr einigen, kann die Richtlinie im kommenden Jahr in Kraft treten, worauf die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit haben, sie in nationales Recht umzusetzen. Voraussichtlich haben die Schweizer Kantone also noch etwa drei Jahre Zeit, sich auf die Veränderung vorzubereiten.

UPDATE: Am 1. Juni 2021 einigten sich der EU-Rat und das Parlament auf eine gemeinsame Fassung. Gemäss der aktuellen Version müssen Unternehmen nur Informationen über Drittstaaten bekanntgeben, die von der EU als Steueroasen klassifiziert sind. Die Schweizer Kantone sind nun deshalb doch nicht vom öffentlichen CbCR der EU betroffen.