Rechtsstaat in Europa – ein Protokoll

Rechtsstaat in Europa

Der Rechtsstaat in Europa war eines der brennenden Themen am EU-Gipfel vom 17./18. Juli. Die EU-Staatschefinnen einigten sich auf eine Rechtsstaatlichkeits-Klausel. Die Klausel bezweckt, dass den Mitgliedstaaten die EU-Gelder gekürzt werden können, wenn sie ihren Rechtsstaat untergraben. Es ist noch unklar, wie die Klausel zu interpretieren ist und ob sie zu lasch ist, um einen Effekt zu haben.

Rechtsstaatlichkeits-Klausel hin oder her: Die rechtsstaatliche Situation hat sich seit dem EU-Gipfel in einigen EU-Mitgliedstaaten schon wieder verschlechtert. Um den Überblick zu behalten, starte ich ein Protokoll zur Situation des Rechtsstaats in Europa. Hier protokolliere ich alle Entwicklungen, die mir auffallen oder die mir zugetragen werden. Das Protokoll hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit (eine umfassende Übersicht zum Rechtsstaat in Europa und in der Welt findest du hier). Es ist auch keine journalistische Eigenleistung, sondern trägt Medienberichte zusammen, die hier verlinkt werden.

— Protokoll am 21.08.2020 zuletzt aktualisiert —

14.08.2020 – Griechenland setzt Flüchtende auf offener See aus

Ein Bericht der New York Times deckt auf, dass die griechische Küstenwache mehr als tausend Flüchtende auf dem Mittelmeer ausgesetzt hat. Einige Flüchtende – darunter auch Kleinkinder – wurden in Nacht- und Nebelaktionen in Rettungsboote gesetzt, aufs offene Meer hinausgefahren. Dort setzte die Küstenwache sie ohne Motor oder Ruder aus. Griechenland ist überfordert, da das Dublin-System die Staaten an den Aussengrenzen der EU überproportional belastet. Das ist aber keine Entschuldigung für die unmenschliche, griechische Politik des Sterben Lassens. Mehr dazu in diesem Artikel.

29.07.2020 – Proteste gegen Korruption in Bulgarien

Bulgarinnen demonstrieren in der Hauptstadt Sofia gegen Korruption. Das Land mit dem tiefsten Median-Lohn in der EU hat Probleme, über die selten gesprochen wird auf EU-Ebene. Wieso nicht? Nun, die Regierungspartei ist Teil der grössten Parlamentsfraktion im europäischen Parlament. Zudem stellt sich der Regierungschef auf EU-Ebene – anders als Viktor Orbán – nur selten gegen die anderen Staatschefinnen. Vor allem das bulgarische Justizsystem ist für seine Korruption bekannt. Dieser Artikel (oder auch dieser Beitrag) erklärt die Situation in Bulgarien. Dieses Video einer Anti-Korruptions-NGO zeigt ein erschreckendes Beispiel, wie das korrupte Justizsystem Privatpersonen erpresst.

28.07.2020 – Sechs polnische Städte erhalten weniger EU-Geld aufgrund ihrer LGBTI-Feindlichkeit

Die EU hat die Bewerbung von sechs polnischen Städten um EU-Gelder abgelehnt. Der Grund: Die polnischen Städte hatten sich vor einem Jahr zu “LGBTI-freien Zone” erklärt. Dies sei nicht mit europäischen Werten und Grundrechten zu vereinbaren, sagte die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung, Helena Dalli. Bei dem Geld geht es um vier- bis fünfstellige Unterstützungsbeiträge für Städte, die Städtepartnerschaften eingehen. Diese Entscheidung hat also vor allem symbolische Wirkung. Mehr dazu hier.

27.07.2020 – Die polnische Regierung will aus der Istanbul-Konvention aussteigen

Der polnische Justizminister kündigte an, dass Polen aus der Istanbul-Konvention aussteigen werde. Die Istanbul-Konvention zur Prävention und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verpflichtet die unterzeichnenden Staaten, Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie häusliche Gewalt als Verbrechen einzustufen und zu verfolgen. Mehr dazu hier.

24.07.2020 – Ein weiteres unabhängiges Medium weniger in Ungarn

Nachdem der Chefredakteur des unabhängigen Nachrichtenportals index.hu entlassen wurde, solidarisierten sich 70 seiner 80 Kolleginnen und kündigten ebenfalls. Der Chefredakteur stand unter Druck, die Berichterstattung regierungstreuer zu gestalten. Mehr dazu hier. Weitere Infos zur Medienfreiheit in Ungarn findest du hier.